Die Illusion von der Objektivität
Sieben Schritte zum systemischen Denken / 1
Alles was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt. Humberto Maturana – Biologe, Philosoph und Erkenntnistheoretiker unterstellt mit diesem Satz, dass jede Aussage zu einem wesentlichen Teil vom individuellen Standpunkt ihres Verfassers (d.h. des Beobachters) beeinflusst wird.Die persönliche Wahrnehmungsleistung, blinde Flecken, eigene Interessen, persönliche Erfahrungen sowie unbewußte Scheuklappen und Vorurteile beeinflussen unsere Wahrnehmung und damit auch unsere Beschreibung der Welt.
Objektivität kann also, wenn man diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zieht, bestenfalls durch Einigung über die Beobachtungsmethoden und Zusammenführung unterschiedlichster Beobachtungsergebnisse und Aussagen über die Welt hergestellt werden. Die hohe Unwahrscheinlichkeit des Gelingens solch eines Unterfangens liegt auf der Hand.
Der Wiener Kybernetiker Heinz von Foerster (1911 – 2002) ergänzte Maturanas Satz übrigens konsequent mit den Worten: „Alles Gesagte wird zu einem Beobachter gesagt“ (aus: Kybernetik der Kybernetik, 1979).
Er schreibt damit dem Empfänger einer Nachricht folgerichtig dieselbe Perspektivenvielfalt wie dem Sender zu.
Beobachten steht für Unterscheiden (Make a distinction, G. Spencer-Brown, Laws of Form, 1969) und folgerichtig für Entscheiden (der Beobachter entscheidet aktiv und subjektiv was und wie er beobachtet und wovon er das Beobachtete unterscheidet). Entscheiden bedeutet den Fokus auf etwas Bestimmtes zu setzen und damit implizit alle anderen Möglichkeiten auszuschließen. Entscheidungen werden (auch im Wortsinn: ent-scheiden) in erster Linie nicht für etwas sondern gegen alles andere getroffen.
Der erste Schritt zum systemischen Denken: Stelle stets in Rechnung, dass Objektivität die Illusion ihres jeweiligen Beobachters ist.